Bevor wir nach Finnland fahren, bewegen wir uns noch einige Tage im schwedischen Lappland. Das ist hier auch das Verständnis – wo Sami leben ist Lappland. In jedem Ort, wo auch nur ein Same lebt, muss das Ortsschild auch zusätzlich den Namen des Ortes in der jeweils dort gesprochenen samischen Sprache anführen. Ein kleiner Schritt in Richtung Integration einer Minderheit, die lange Zeit in ganz Skandinavien unterdrückt und ihres Grundeigentums beraubt wurde.

16.-17. Juni Huskyfarm

Als Uschi und Steffen noch im Bezirk Dresden wohnten, hatten sie schon Huskys. Mit selbstgebauten Hundeschlitten ging es dann zum Rennen nach Schmiedefeld und Oberhof. Vor 20 Jahren haben sie ihren Traum verwirklicht und sind mit ihrer Hundemeute nach Lappland gezogen. Im Winter sei es hier am Schönsten – wir sind da schon etwas skeptisch und denken an Kälte („richtig kalt wird es erst unter -30°“), Dunkelheit und Unmengen Schnee. Heute leben auf der Farm 40 Alaska-Huskies, Haushunde, Hühner und Bienen – und natürlich Mücken.
Die Farm teilt sich die Wildnis mit wenigen, nicht gerade in Hörweite wohnenden Nachbarn. Der nächste Laden ist 40km entfernt. Allerdings werden im Sommer große Gefriertruhen gefüllt: ein Nachbar liefert Schweinehälften, der Jäger Elch und die Sami Rentier. Eier und Honig werden selbst produziert.
Im Hühnerstall läuft 24 Stunden am Tag das Radio. Das Federvieh ist nicht interessiert, aber der Fuchs mag keine schlechten Nachrichten, meint die Bäuerin. Leider bekommen wir trotzdem keine frischen Eier zum Frühstück, denn was so ein richtiges Biohuhn ist, das legt auch mal tagelang keine Landeier, unabhängig von der Nachrichtenlage.
Am Tagen helfen wir ein wenig auf dem Hof. Nach unserem Abendbrot am Holzfeuer in der Grillhütte schwatzen wir mit Uschi und Steffen über früher und heute. Und natürlich nochmals über Winter und Polarlicht. Vielleicht kommen wir doch zur kalten Jahreszeit wieder…

* Zum Schutz der auf den Fotos dargestellten Hunde haben wir ihre Namen verändert;-) Richtig ist, dass alle Huskys dieser Farm deutsche Namen tragen.
Wetter 14° wolkig
Essen Köttbullar in der Grillhütte

18. Juni Piteå
So wie angesagt regnet es heute – wir zählen den dritten Regentag während des ersten Monats unserer Tour und sind mit dieser Quote mehr als zufrieden. Dieses Wetter nutzen wir also und fahren nochmals an die Ostsee. In ganz Finnland kann kein Gas (LPG, Propangas) getankt werden und auch im Norden Schwedens und Norwegens sind die Angebote äußerst rar. In Piteå gibt es die Möglichkeit und wir füllen unsere Vorräte auf, schließlich überqueren wir demnächst den Polarkreis.
Unser Spaziergang im kleinen Stadtzentrum wird eine ziemlich feuchte Angelegenheit. Nicht nur zum Aufwärmen plündert Torsten die Süßwarenboutique: Bewaffnet mit Schaufel und Tüte bedient man sich, alle Angebote zum Einheitspreis nach Gewicht – und kosten kann man auch.
Wetter 12° leichter Regen

19. Juni Luleå

Etwas weiter nördlich machen wir Halt in Luleå. Die kleine Stadt ist von drei Seiten mit Wasser umgeben, das der Luleälv bzw. Ostseefjorde liefern. Wenn das Wasser zugefroren ist, wir rund um die Stadt eine 10 km lange Eisbahn präpariert. Das können wir natürlich nicht erleben – aber immerhin lädt das schöne Wetter zu einem Stadtrundgang ein. Im Park beobachten wir vier Männer beim Boule, das ist in Schweden Nationalsport. Und nicht älteren Männern vorbehalten: vor acht Jahren haben wir einen Mannschaftswettbewerb mit mixed Teams beobachtet. Das ist durchaus spannend und die Taktik vergleichbar mit Curling.
Wetter 18° leicht bewölkt
Essen Rentierschinken und Elchschinken

20. Juni
Gammelstad (alte Stadt – altes Luleå)
Die Kirche und später auch der schwedische König verpflichteten jeden seiner Schäfchen bzw. Untertanen zum sonntäglichen Kirchenbesuch. Der Weg zur Kirche war für viele sehr weit und an einem Tag nicht zu schaffen. Daher entstanden rund um Kirchen im Norden des Landes sogenannte Kirchstädte. Die Bauern errichteten kleine Häuser, um dort am Wochenende zu wohnen (die Datsche war erfunden ;-). Die Farbgebung war streng reguliert, in Gammelstad waren es falunrot für die Wände und weiße Leinölfarbe für Fenster und Türen. Der Ort selbst, das frühere Luleå, lag am Meer und entwickelte sich zur Handelsstadt. Seit dem Ende der Eiszeit vor etwa 10 Tausend Jahren hebt sich der durch das Eis eingedrückte Boden um ca. 1cm pro Jahr, auch heute noch. Der Hafen versandete und kurzerhand wurde Luleå 12km östlich neu aufgebaut. Die Kirchenstadt ist geblieben und ist nach wie vor eine Art Wochenendsiedlung.

Boden
war einst ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, als hier noch Erz gebrochen wurde. Geblieben ist ein schönes Bahnhofsgebäude ganz aus Holz.

Der Storforsen
gehört zu den mächtigsten Wasserfällen in Schweden. Während der Schneeschmelze – also jetzt – stürzen etwa 1000m² Wasser/Sekunde den Bach hinunter, das sind 1000 Tonnen! Dementsprechend laut geht es zu.
Das Gebiet ist sehr gut zugänglich, in Teilen sogar für Rollstühle. Dennoch wirkt alles naturbelassen. Neben dem brausenden Wasserfall gibt es ein märchenhaftes Felsterrain, das von kleineren Bächen durchflossen wird. Kleine Brücken erschließen das Gelände, etwa 20 Feuerstellen laden zum Grillen ein (gehacktes Holz inklusive). Am Abend sind wir fasst allein, machen ein Feuerchen und genießen die Stimmung. Um es nicht zu vergessen: kein Eintritt, keine Parkgebühr!

Am nächsten Morgen treffen wir Alex, er ist Ranger und weiß, wo man Elche und Bären finden kann. Hauptsaison sei jedoch der Winter. Unsere Idee, denn Polarwinter zu erleben reift weiter… Alex empfielt uns, keinesfalls den Trollfossen auszulassen – wir ändern fix unsern Plan und fahren dort hin.

Wetter 21° leicht bewölkt
Essen „Flammlachs“

21. Juni Trollforsen
Am gleichen Fluss, dem Piteälven, etwa 60 km aufwärts gibt es eine Kaskade von starken Stromschnellen, das ist der Trollforsen. Eine Insel teilt den Flusslauf. Dorthin führt uns eine schwankende Hängebrücke. Schmale Wege führen durch Gestrüpp und über Felsen um die Insel herum und gewähren immer neue Blicke auf Buchten, Stromschnellen und die einsame Natur. Erlebnis und Genuss der besonderen Art! Das wollen die Mücken nicht verpassen und begleiten uns gern in Scharen :-(

Auf dem Weg verfahren wir uns ein wenig und finden dafür eine einzigartige Brücke die sowohl von der Eisenbahn als auch vom Straßenverkehr genutzt wird, sehr pragmatisch.

Zum heutigen Sommeranfang geht die Sonne 0:40 unter und 18 min später wieder auf.

Wetter 16° wolkig

22. Juni nach Finnland

Vom Trollforsen nach Finnland fahren wir östlich durch dünn besiedelte Gegenden. Zunächst bis zur nächsten warmen Dusche, die wir auf einem kleinen Zeltplatz auf einer Halbinsel finden. Dann über 100 km Schotterstraße, die an Wäldern, Flüssen und Seen vorbei führt. Die Betonung liegt hier auf „vorbei“: Wasserzugänge gibt es nur für die anliegenden Häuser, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen.
Im einzigen kleinen Dorf an der Straße biegen wir zur weißen Holzkirche ab – verschlossen. Aber schon kommt eine Frau mit einem gewaltigen Schlüsselbund und öffnet uns. Sie erzählt uns, dass die Kirche 120 Jahre alt sei, und weit und breit die einzige. Das Geläut wird neuerdings elektrisch betrieben.
Etwas später überqueren wir zum ersten Mal den Polarkreis. Einen Temperatursturz erleben wir nicht (dazu mehr in ein paar Tagen). Kurze Zeit später befinden wir uns wieder südlich des Polarkreises in Överkalix. Hier findet zu Mittsommer ein Oldtimertreffen statt. In Schweden wie in Finnland gibt es jede Menge alter, aber liebevoll gepflegter Amischlitten, mit denen jetzt vorgefahren wird.

Unser Übernachtungsplatz liegt etwas flussaufwärts am Kalixälv. Wir treffen Radfahrer aus Hamburg, die noch zum Nordkap wollen. Die Tour ist Teil eines Planes, ganz Europa mit dem Rad zu bewältigen. Sie haben allerdings (im Gegensatz zu vielen anderen Radlern) ein Tourfahrzeug dabei, samt Begleiter. Ein schöner Abend am Lagerfeuer, irgendwann flüchten wir vor den Mücken, die offenbar rauchresistent sind.

Wetter 22° leicht bewölkt
Essen Schweinelende von Grill